Wenn ein Hund schläft, schläft er tief und fest und ignoriert jede Störung durch Mensch oder Tier – bis sein Herrchen eine Dose mit Futter öffnet. In diesem Fall ist jeder Hund, der etwas auf sich hält, sofort zur Stelle, dank seiner Fähigkeit, sein Gehör selektiv einzusetzen und unwichtige Hintergrundgeräusche herauszufiltern. Das alles ist möglich, weil die Sinneszellen des Hundes nicht direkt mit dem Ohr verbunden sind, sondern über spezielle Nervenbahnen mit dem Hirnnerv, der für das Hören zuständig ist – und den kann der Hund einfach ein- und ausschalten wie einen Lichtschalter.
Das heißt nicht, dass Hunde ein besonders gutes Gehör haben, zumindest was die Lautstärke betrifft, aber sie haben einen Vorteil gegenüber ihren Herrchen: Sie können sehr tiefe und sehr hohe Töne hören. „Während der Mensch nur Töne zwischen etwa 60 und 2.000 Hertz bewusst wahrnehmen kann, ist ein Hund in der Lage, bis zu 65.000 Hertz zu hören“, sagt Stefan Launer, Sonovas Experte für audiologische Forschung und Senior Vice President Science & Technology. Deshalb macht es wenig Sinn, den Hund bei Ungehorsam anzuschreien, sondern ein leiseres Kommando in höherem Tonfall führt eher zum gewünschten Ergebnis.
Außerdem verfügen Hunde über 17 Ohrmuskeln, die ihnen bei der Ortung von Geräuschen helfen, und sie können ihre Ohren unabhängig voneinander in einem großen Radius bewegen. So können sie die Ohrmuschel in eine bestimmte Richtung ausrichten, um die Schallwellen einer Quelle so effizient wie möglich aufzunehmen. Diese Ortungsfähigkeit ist für Hund und Halter gleichermaßen von Nutzen – die Tiere können Kommandos perfekt hören, auch wenn ihr Herrchen oder Frauchen gerade nicht in Sichtweite ist.
Aber was passiert, wenn ein Hund sein Gehör verliert? Mit viel Geduld und Training kann man ihm beibringen, den Alltag zu meistern – oder man stattet ihn mit einem Hörgerät aus. Und tatsächlich tragen Hunde schon seit einigen Jahren Hörgeräte: 1987 wurde an der Auburn University in Alabama zum ersten Mal einem Hund ein Hörgerät angepasst, das ursprünglich für Menschen entwickelt worden war – und Unitron aus Port Huron, Michigan, war an der Entwicklung beteiligt. „Es funktionierte, weil die Ohren von Hunden und Menschen anatomisch ähnlich sind“, erklärt Launer. Das Hörgerät war mit Schaumstoff überzogen, der sich ausdehnen konnte, um in den Gehörgang zu passen. Wie Launer betont, ist die Ausbildung eines Hundes oft eine teure Angelegenheit, so dass Lösungen wie diese sowohl notwendig als auch sinnvoll sein können.
Peter Scheifele hat Erfahrung mit der Versorgung von Hunden mit solchen Geräten; als Professor am FETCH LAB™ (Facility for Education and Testing of Canine Hearing & Laboratory for Animal Bioacoustics) der Universität von Cincinnati ist er auf die Erforschung und Unterstützung von Hunden mit Hörverlust spezialisiert. „Seitdem der Brainstem Auditory Evoked Response Test (BAER) für Tiere entwickelt wurde, haben wir viele Hunde mit Beschwerden wie altersbedingtem Hörverlust und pathologischer Lärmempfindlichkeit gesehen.“ Da Hunde sowohl einen vertikalen als auch einen horizontalen Gehörgang haben, sind individuelle Anpassungen unerlässlich. Einer der jüngsten Hunde, denen Scheifele ein Hörgerät – ein drahtloses Gerät von Phonak – angepasst hat, war ein Border Collie aus Austin, Texas.
Doch nur eine kleine Minderheit von Hunden ist ein geeigneter Kandidat für ein Hörgerät, wie die Forscherin erklärt: „Menschen wissen, warum sie einen Fremdkörper im Ohr haben. Ein Hund weiß das nicht und wird das Hörgerät oft nicht tolerieren.“ Außerdem sind Hörgeräte nur dann sinnvoll, wenn der Hund auf mindestens einem Ohr ein Restgehör hat, da die Hörsysteme lediglich den Schall verstärken. „Menschen haben das gleiche Problem, deshalb werden sie oft mit Cochlea-Implantaten versorgt.“ Scheifele erklärt weiter, dass Hunde mit einem Resthörvermögen möglicherweise nicht einmal merken, dass sie einen Mangel haben: „Hörverlust ist ein schleichender Prozess und verursacht keine Schmerzen.“
Sonova-Audiologie-Experte Stefan Launer fasst zusammen: „Die Anpassung von für Menschen hergestellten Hörgeräten an Hunde ist ein spannendes Nebenprojekt in der Forschung.
Wenn Hundehalter die Geduld, Zeit und Energie aufbringen, ihre Tiere an die Geräte zu gewöhnen, stehen die Chancen gut, dass der Vierbeiner wieder das leise Geräusch des Öffnens einer Futterdose wahrnehmen kann – und vor allem die Stimme seines Herrchens hört.